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Das Posting

Wie aus dem Posting unmissverständlich hervorgeht, soll Rudolf Höss, Kommandant von Auschwitz in den Jahren 1940-1943, unter Folter ein Geständnis abgelegt haben.

Rudolf Höss war von 1940-1943 Kommandant in Auschwitz. Am Kriegsende tauchte er in Norddeutschland unter mit dem Namen "Franz Lang" als Maat in der Marine. Den Briten fiel er zunächst nicht auf, nachdem Deutschland kapitulierte, war er als Landwirt bei einem Bauern angestellt. Er hielt während dessen Kontakt zu seiner in der Nähe lebenden Familie. Am 11. März 1946 wurde er schließlich endgültig festgenommen.

In der polnischen Haft schrieb er einen umfangreichen Lebenslauf, berichtete über den Massenmord an den Juden in Auschwitz.

Dem Text werden im Wesentlichen zwei Dinge vorgeworfen:

Manche Revisionisten sehen zwischen beiden Aspekten auch einen Kausalzusammenhang. Tatsache ist allerdings, dass Höss selbst in seinen Aufzeichnungen häufiger seine schlechte Behandlung beschreibt, von systematischer Folter aber, um ein falsches Geständnis abzulegen, kann keine Rede sein.

Rudolf Höss wurde am 11. März 1946 verhaftet. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Alliierten bereits genügend Material gesammelt, um die Verbrechen in Auschwitz nachweisen zu können.

"By the end of February, no one felt that there was a need for more testimony about Auschwitz in the trial. The French und Russian prosecutors rightly assumed they had made their point, and the lawyers for the defandants felt no inclination to call attention to the camp."

Pelt (2016): S. 250

Der Nürnberger Prozess lief bereits seit dem 20. November 1945, der Völkermord an den Juden und die in den KZs begangenen Verbrechen, auch die in Auschwitz, waren expliziter Bestandteil der Anklageschrift. Die Grundlage bildeten verschiedene erbeutete Schriftstücke, und Zeugenaussagen, auch die von Tätern.

Natürlich war man an der Person Höss interessiert, um ihn der Taten anklagen zu können. Aber man war auf seine Aussagen über Auschwitz nicht angewiesen, so dass eine erzwungene Falschaussage keinen Sinn macht, denn das Beweismaterial war bereits sehr umfangreich.

Eine Grundlage bildete die Erklärung des SS-Obersturmbannführers Höttl, der u. a. ein Gespräch mit Adolf Eichmann zu Protokoll gab:

"Ende August 1944 unterhielt ich mich mit dem mir seit 1938 bekannten SS-Obersturmbannfuehrer Adolf Eichmann. Die Unterhaltung fand in meiner Wohnung in Budapest statt. [...] Er wisse, dass er von den Vereinigten Nationen als einer der Hauptkriegsverbrecher betrachtet wuerde, weil er Millionen von Judenleben am Gewissen habe. Ich fragte ihn, wieviele das seien, worauf er anwortete, die Zahl sei zwar ein grosses Reichgeheimniss, doch wuerde er sie mir sagen, da ich auch als Historiker dafuer Interesse haben muesste und er von seinem Kommando nach Rumaenien wahrscheinlich doch nicht mehr zurueckkehren wuerde. Er habe kurze Zeit vorher einen Bericht fuer Himmler gemacht, da dieser die genaue Zahl der getoeteten Juden wissen wollte. Er sei auf , Grund seiner Informationen dabei zu folgendem Ergebniss gekommen:
*IIn den verschiedenen Vernichtungslagern seien etwa vier Millionen Juden getoetet worden, waehrend weitere zwei Millionen auf andere Weise den Tod fanden [...] Himmler sei mit dem Bericht nicht zufrieden gewesen, da nach seiner Meinung die Zahl der getoeteten Juden grösser als 6 Millionen sein muesse. Himmler hatte erklaert, dass er einen Mann von seinem statistischen Amt zu Eichmann schicken werde, damit dieser auf Grund des Materials von Eichmann einen neuen Bericht verfasse, wo die genaue Zahl ausgearbeitet werden sollte."

Nürnberger Dokument PS-2738, unterschrieben am 26. November 1945, Tippfehler im Original, Hervorhebung von mir

Wenn man Rudolf Höss später findet, und so foltert, dass er ein falsches Geständnis unterschreibt, würden die Alliierten nicht darauf achten, dass die die ihm untergeschobenen, also angeblich erfolterten Aussagen, deckungsgleich sind mit den Aussagen anderer? Der Mann, der vom statistischen Amt die Zahl ermitteln sollte, war Koherr.

Die Holocaustleugner berufen sich auf das Buch "Legions of Death" von Rupert Butler. Es handelt sich hierbei keineswegs um ein holocaustleugnendes Werk, er schreibt viel über die Verbrechen im Dritten Reich. Revisionisten picken sich einzig und allein diese Passagen heraus für ihre Zwecke.

Das Buch ist eher ein Sachbuch, auf Quellenangaben wird weitgehend verzichtet. So ist auch die Passage über die angewendete Gewalt ohne Verifizierungsmöglichkeiten fragwürdig. Der geneigte Leser möge mir verzeihen, wenn ich die kolportierten Aussagen der Einfachheit halber eins zu eins übernehme. Die im Buch getroffenen Aussagen beruhen wiederum auf einen gewissen Bernard Clarke, der angeblich zu den britischen Offizieren gehörte, die Rudolf Höss ausfindig machten und festnahmen.

Ich vergleiche nun die Angaben Butlers laut der revisionistischen Webseite mit denen von Rudolf Höss entsprechend der Buchhandelsausgabe von Martin Broszat. Die Angaben der revisionistischen Webseite sind übrigens eine textidentische Übernahme eines Blog-Beitrags von Robert Faurisson.

Butler berichtet zunächst darüber, wie seine Familie unter Druck gesetzt wurde, um den Aufenthaltsort Höss' preiszugeben, die holocaustleugnende Webseite fasst dies folgenermaßen zusammen:

"Am 11. März 1946 dringen Bernard Clarke und fünf weitere Spezialisten des britischen geheimen Nachrichtendienstes (British Intelligence Service) in Uniform, fast alle von ihnen von hoher Gestalt und bedrohlich aussehend, in die Wohnung von Frau Höss ein. Die sechs Männer, schreibt Butler, sind »alle auf die ausgeklügeltsten Techniken des ununterbrochenen und erbarmungslosen Verhörs gedrillt worden« (S. 235). Clarke schrie Frau Höss an:

»Wenn Sie nicht sagen (wo Ihr Mann ist), liefern wir Sie den Russen aus, die Sie dann vor ein Erschießungskommando stellen. ihr Sohn wird nach Sibirien verschleppt. «

Frau Höss bricht schließlich zusammen und gibt sowohl den Aufenthaltsort ihres Mannes als auch den falschen Namen, unter dem er sich versteckt hält, preis. Clarke:

»Eine entsprechende Einschüchterung des Sohnes und der Tochter brachte genau die gleichen Auskünfte hervor.«"

Wie oben beschrieben, gehe ich der Einfachheit halber vom Wahrheitsgehalt der revisionistischen Aussagen aus. Die Familie wurde also massiv psychisch unter Druck gesetzt, um den Aufenthaltsort preiszugeben. Rudolf Höss wußte von der Überwachung, wie er später in seinen Niederschriften zugab:

"Durch den Bruder meiner Frau, der in Flensburg arbeitete, hatte ich Verbindung zu meiner Frau. Daß ich gesucht wurde von der englischen Feldsicherheitspolizei war mir bekannt durch meinen Schwager. Auch daß man meine Familie schwer überwachte und dauernde Haussuchungen durchführte."

Höß (1946): S. 225.

Alle Beteiligten mussten also damit rechnen, dass man härter vorgehen würde, um den Aufenthalsort in Erfahrung zu bringen. Höß fährt in seinen Aufzeichnungen fort:

"Am 11. März [1946] 23 Uhr wurde ich verhaftet. Meine Giftphiole war zwei Tage vorher zerbrochen. Da ich beim ersten Aufschrecken aus dem Schlaf noch annahm, es handelte sich um einen dort häufig vorkommenden Raubüberfall, gelang die Verhaftung. Mir wurde übel zugesetzt."

Ebd., Hervorhebung von mir

In den revisionistischen Ausführungen liest sich dies so:

"»Er lag ganz oben auf einer dreigeschossigen Schlafkoje und war mit einem neuen seidenen Schlafanzug bekleidet. Wir fanden später heraus, daß er seine Cyanidpille, die ja die meisten von ihnen bei sich trugen, verloren hatte. Nicht daß er eine große Chance gehabt hätte, sie zu benutzen, denn wir hatten ihm schon eine Taschenlampe ins Maul gerammt. «

Höss stieß beim bloßen Anblick der britischen Uniformen einen Schreckensruf aus.

Clarke brüllte: »Wie heißen Sie?«

Jedesmal wenn die Antwort 'Franz Lang' lautete, krachte Clarkes Faust ins Gesicht des Gefangenen. Beim vierten Schlag brach Höss zusammen und gab seine wahre Identität zu. Dieses Geständnis löste plötzlich bei den jüdischen Sergeanten des Festnahme-Kommandos, deren Eltern auf Grund eines von Höss unterzeichneten Befehls in Auschwitz umgekommen waren, einen Wutanfall aus.

Der Gefangene wurde von der obersten Pritsche heruntergezerrt und man riß ihm den Schlafanzug vom Leibe. Dann wurde er nackt zu einem der Schlachttische gezerrt. Dort erschien es Clarke, als wollten die Schläge und Schreie kein Ende nehmen.

Schließlich drang der anwesende Sanitätsoffizier auf den Captain [Cross] ein: 'Lassen Sie aufhören, es sei denn Sie wollten eine Leiche mitnehmen.' Man warf Höss eine Decke über und er wurde zu Clarkes Wagen geschleift, wo der Sergeant ihm einen beträchtlichen Schuß Whisky in die Kehle schüttete. Höss versuchte dann zu schlafen. Clarke stieß ihm seinen Dienststock unter die Augenlider und befahl in deutscher Sprache: 'Halt Deine Schweinsaugen auf, Du Schwein."

Inhaltlich gibt es zwischen beiden Ausführungen keinen Unterschied. Nur dass in Butlers Buch ausführlicher beschrieben wird, auf welche Weise Höss übel zugesetzt wurde.  In diesem Textabschnitt ging es nicht darum, unter Gewalteinwirkung Details der Verbrechen zu erfoltern, sondern darum, die tatsächliche Identität des Franz Lang festzustellen. Denn von seiner Familie kannten die Briten bereits die wahre Identität des Franz Lang. Inwieweit einzelne Details stimmen, z. B. ob Verwandte des Sergeants tatsächlich in Auschwitz umkamen und dass auf Befehl Höss', kann hier nicht geprüft werden.

Rudolf Höss gibt in seinen Aufzeichnungen weiter an, nach Heide gebracht worden zu sein.

"Unter schlagenden Beweisen kam meine erste Vernehmung zustande. Was in dem Protokoll drin steht, weiß ich nicht, obwohl ich es unterschrieben habe."

Höß 1946, S. 225.

Butler schreibt weiter:

"Clarke: 'Es dauerte drei Tage, bis wir eine zusammenhängende Aussage (coherent statement) von ihm hatten. Aber als er einmal zu reden angefangen hatte, konnte ihn keiner mehr halten'«

Bei diesem Dokument handelt es sich um ein achtseitiges maschinengeschriebenes Papier, das er am 14. 3. 1946 um 02.30 Uhr unterschrieben hatte. Es wurde zum Dokument NO-1210 für den Nürnberger Prozeß deklariert, aber es wurde dort nie eingesetzt oder verwendet.

Man hat Gewalt eingesetzt, um seine wahre Identität festzustellen. Dies bedeutet aber nicht, dass seine Aussagen grundsätzlich falsch sind.

Weiter unten schreibt Höss, dass er nach Minden kam, wo ihm noch mehr zugesetzt wurde (ebd.). Wenn man also Höss' Aufzeichnungen liest, wird die angewwendete Gewalt keineswegs verschwiegen von ihm. In Butlers Buch wird sie lediglich detaillierter ausgeführt. Es gibt also keinen Grund anzunehmen, dass sich Historiker mit dieser Problematik nicht beschäftigt hätten. Dies geht auch hervor aus einer Dokumentation des NDR:

Der maßgebliche Ermittler heisst dort allerdings Alexander, inhaltlich ist die Darstellung identisch mit dem bisher beschriebenem:

"Noch am gleichen Tag braust Alexander mit 25 bewaffneten Männern nach Gottrupel. Um 23 Uhr treffen sie ein. Nach der Identifizierung und Festnahme von Höß in der Scheune ist Alexander klar, dass seine Kameraden Rache an dem Massenmörder nehmen wollen. Er lässt es zu, dass die Männer Höß verprügeln. Nach einigen Minuten meint der Militärarzt: 'Sag ihnen, sie sollen aufhören, sonst müsst ihr eine Leiche mitnehmen.' Sie fahren Höß nach Heide."

Oliver Dietrich: "Er hat das Schwein von Auschwitz geschnappt", NDR 2016, Link zuletzt eingesehen am 29. 3. 2019

Er wurde anschließend zusammen mit Moritz von Schirmeister, einem weiteren Kriegsgefangenen, im Auto von Heide nach Nürnberg transportiert. Rudolf Höss wurde als Entlastungszeuge für Ernst Kaltenbrunner nach Nürnberg gebracht, er wurde von der Verteidigung Kaltenbrunners angefordert. In diesen Vernehmungen machte Höss Aussagen, die sich nicht grundsätzlich von seinen bisherigen Ausführungen unterschieden (vgl. Höß, S. 225).

"Die Haft dort beim IMT [International Military Tribunal] war geradezu ein Sanatoriumsaufenthalt nach dem Vorhergegangenem. [...] Während die Haft in jeder Hinsicht gut war, [...] waren die Vernehmungen wirklich nicht angenehm - nicht etwa physisch, aber umso stärker psychsisch. Ich kann es den Vernehmenden auch nicht verübeln, es waren alles Juden. Psychologisch wurde ich beinahe seziert - so genau wollte man alles wissen - , auch von Juden."

Höß (1946), S. 226.

Im Rahmen der Nürnberger Prozesse entstand dann das Dokument PS-3868.

Mit "Sezieren" und der damit verbundenen psychischen Belastung ist gemeint, dass die Vernehmenden etwas über die Psyche erfahren wollten. Denn was man damals nur schwer akzeptieren konnte, war die Tatsache, dass man einerseits für den Massenmord an Juden und anderen Menschen verantwortlich war, ihn organisierte und andererseits ein unauffälliger Mensch war, also nicht in irgend einer Weise verrroht. Auf diesen Aspekt weist auf Höss am Ende seiner Aufführungen selbst hin:

"Mag die Öffentlichkeit ruhig weiter in mir die blutdürstige Bestie, den grausamen Sadisten, den Millionenmörder sehen - denn anders kann sich die breite Masse den Kommandanten von Auschwitz gar nicht vorstellen. Sie würden doch nie verstehen, daß auch er ein Herz hatte, daß er nicht schlecht war."

Ebd., S. 235

Auch Rupert Butler greift dies auf und zitiert den britischen Vernehmer Clarke:

"Manchmal hatte ich (beim Lesen dieser Briefe) einen Kloß in der Kehle. Es steckten zwei Männer in diesem einen Mann. Der eine war brutal und hatte keine Achtung vor dem Menschenleben. Der andere war weich und zärtlich."

Butler, S. 238 laut revisisionistischer Webseite

Clarke war für die Zensur der Briefe von Höss an seiner Familie verantwortlich und las diese dementsprechend.

Die Holocaustleugner und Revisionisten sehen dies auch als Indiz für Folter:

"Rupert Butler beendet seinen Bericht mit der Bemerkung, Höss habe in der Folgezeit nicht mehr versucht, sich seiner Verantwortung zu entziehen oder abzuleugnen, was er getan hatte. Tatsächlich legte Höss während des Nürnberger Prozesses eine »schizoide Apathie« an den Tag. Der Ausdruck stammt von dem Amerikaner G. M. Gilbert, dem Psychologen des Nürnberger Gefängnisses, der mit den amerikanischen Anklägern in Verbindung stand und die Aufgabe hatte, die Häftlinge zu überwachen. Man darf ruhig glauben, daß Höss zu diesem Zeitpunkt »ein gespaltener Mensch« war. Er sah wie ein menschliches Wrack aus, weil man ein solches aus ihm gemacht hatte. »Apathisch«, sagt Gilbert auf Seite 229 seines Buches (Nuremberg Diary, 1947, Signet Book, 1961); »apathisch« wiederholt er auf der nächsten Seite; »schizoide Apathie« schreibt er auf Seite 239."

Was damals nur schwer vorstellbar war, ist heute wissenschaftlich belegt. Der amerikanische Psychologe Robert J. Lifton bezeichnet dies Phänomen als "Doppelung", um sich von der klassischen Schizophrenie abzugrenzen (vgl. Lifton 1988). Aufgrund zahlreicher Ermittlungsverfahren und Urteile gegen Angehörige der SS in Konzentrationslagern kann das immer wieder gezeigt werden.

In der Anklageschrift aus dem Jahr 1963 gegen den SS-Oberscharführer Otto Kaiser des KZs Sachsenhausen heisst es u. a.:

"Kaiser ist bis auf eine Verkehrsübertretung wegen Geschwindigkeitsüberschreitung strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten und erscheint durchschnittlich veranlagt.

Dies deckt sich mit den Feststellungen, die über die Lebensläufe vieler anderer NS-Mörder getroffen worden sind. Auch bei diesen haben sich keine Hinweise auf charakterliche Abnormitäten ergeben, die die begangenen Taten erklären könnten."

Anklageschrift gegen Kaiser (1963), S. 115

Die die in Auschwitz inhaftierte Ärztin Ella Lingens sagte im Frankfurter Auschwitz-Prozeß folgendes aus:

"Ich kenne kaum einen SS-Mann, der nicht sagen könnte, er habe nicht einem das Leben gerettet. Es gab wenig Sadisten. Nicht mehr als fünf bis zehn Prozent waren Triebverbrecher im klinischen Sinn. Die anderen waren ganz normale Menschen, die durchaus wußten, was gut und böse ist. Sie haben alle gewußt, was dort geschieht."

Langbein, Hermann: Der Auschwitz-Prozeß. Eine Dokumentation, 2 Bde., Frankfurt a. Main 1995 (unveränderter Nachdruck der 1965 in Wien erschienenen Ausgabe), hier Bd. 1, S. 138.

Selbst der Organisator des Massenmords, Heinrich Himmler, benötigte einen Ausgleich. Seinem Masseur gegenüber sagte er folgendes:

"Man darf die Dinge nicht unter kleinen ichbezogenen Gesichtspunkten betrachten, sondern muss das Gesamtgermanentum ins Auge fassen, das ja auch sein Karma hat. Einer muß sich opfern. Auch wenn dies manchmal sehr schwer ist und darf nicht an sich selbst denken. Es ist natürlich angenehmer, sich mit den Blumenbeeten, statt mit den Kehrichthaufen und der Müllabfuhr eines Staates zu befassen. Aber ohne diese Arbeit würden die Blumenbeete nicht gedeihen. Im übrigen versuche ich, für mich selbst einen Ausgleich dadurch zu schaffen, dass ich wo immer ich nur kann, helfe und Gutes tue, Unterdrückten beistehe und Ungerechtigkeiten beseitige. Glauben sie mir, ich bin mit dem Herzen bei all’ den Dingen, die aus der Staatsraison getan werden müssen? Was gäbe ich darum, Kultusminister, wie Rust, zu sein und mich nur positiven Aufgaben widmen zu können."

Zitiert nach der Anklageschrift gegen Otto Kaiser, S. 72

Es gibt also keinen Grund, dass Verhalten von Rudolf Höss als Ergebnis einer systematischen Folter anzusehen! Meine These, um das Verhalten erklärbar zu machen lautet, dass ein (übertriebenes) harmonisches Familienleben auch dazu diente, die Taten im KZ zu kompensieren. Viele Täter benötigten einen Kompensationsmechanismus, auch Rudolf Höss. Er suchte allerdings Zuflucht bei seinen Pferden. Er schreibt:

"Ich setzte mich dann aufs Pferd und tobte so die schaurigen Bilder weg oder ich ging oft des Nachts durch die Pferdeställe und fand dort bei meinen Lieblingen Beruhigung."

Höss, S. 200.

Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass Höss' Aufzeichnungen in irgend einer Weise grundsätzlich nicht der Wahrheit entsprechen. Höss beschreibt in seinen Ausführungen an verschiedener Stelle, wie er in der Haft behandelt wurde, auch in negativer Hinsicht. Wenn dies Geständnis erfoltert wäre, dann hätten die Ermittler diese doch deutlich erkennbaren Hinweise gestrichen, um eventuelle Vorwürfe erst gar nich aufkommen zu lassen.

Was Revisionisten Höss bzw. seinen Ausführungen noch vorwerfen
1. Es gibt keinen zentralen Befehl für den Massenmord

Auf der revisionistischen Webseite wird in einem kausalen Zusammenhang darauf verwiesen, dass es kein Dokument gäbe, dass den Massenmord zentral befiehlt. Dort heisst es:

"Von seinen Folgen her ist der Fall des Rudolf Höss jedoch der weitaus schwerwiegendste Fall. Es gibt nämlich kein einziges Dokument, womit eine Politik der Judenvernichtung seitens der Deutschen bewiesen werden könnte. Léon Poliakov räumte schon 1951 ein:

»Was die eigentliche Konzeption des Planes einer totalen Vernichtung betrifft, so haben sich die drei oder vier Haupttäter im Mai 1945 das Leben genommen. Kein Dokument ist uns erhalten geblieben, ja ist vielleicht niemals vorhanden gewesen« (Bréviaire de la haine / Le IIIe Reich et les Juifs, Calmann-Lévy, »Livre de Poche« 1974, S. 171. Titel der deutschen Ausgabe: Brevier des Hasses).

Da sie also über kein einziges Dokument dieser Art verfügen, haben sich die Historiker à la Poliakov hauptsächlich auf zweifelhafte Geständnisse wie die des Kurt Gerstein oder des Rudolf Höss versteift, nicht jedoch ohne den jeweiligen Wortlaut nach ihrem eigenen Gutdünken abzuändern, um ihn so »plausibler« zu machen."

Tatsächlich gibt es kein zentrales Dokument, das den Massenmord befohlen hatte seitens Hitler. Es gab immer wieder Gespräche zwischen Hitler, Himmler, Heydrich und Göring. Aus dem Ziel, Deutschland und später Europa judenfrei zu machen durch Deportationen entwickelte sich eine tödliche Logik, vor Ort entschloss man sich, Juden umzubringen. Diese lokalen Initiativen, die von höherer Stelle durchaus gebilligt und genehmigt worden sind, entwicklten sich dann zum systematischen Massenmord (vgl. ausführlich Broszat 1977). Einen zentralen Befehl bedurfte es nicht.

"Mir scheint dagegen, daß es überhaupt keinen umfassenden allgemeinen Vernichtungsbefehl gegeben hat, das „Programm" der Judenvernichtung sich vielmehr aus Einzelaktionen heraus bis zum Frühjahr 1942 allmählich institutionell und faktisch entwickelte und nach der Errichtung der Vernichtungslager in Polen (zwischen Dezember 1941 und Juli 1942) bestimmenden Charakter erhielt."

Broszat 1977, S. 753.

Es ist die Vorstellung einer klassischen Diktatur, dass alles von oben nach unten hierachisch straff durchorganisiert ist, die ein solch zentrales Dokument verlangt. Die NS-Diktatur aber war nicht so straff organisiert, vercshiedene Institutionen konkurrierten miteiander, insbesondere der Staats- und Parteiapparat, trotz Gleichschaltung. Auch einzelne Personen standen in Konkurrenz zueinander, z. B. Himmler und Heydrich. Trotz des Terrors war das Dritte Reich polykratisch organisiert (vgl. z. B. Kershaw 1999).

Es gibt einen weiteren Grund, dass es kein Dokument gibt: Geheimhaltung. Der Massenmord wurde stets mit der höchsten Geheimhaltungsstufe "geheime Reichssache" behandelt, dementsprechend war der Kreis der Wissenden ohnehin sehr klein, zum zweiten sind deswegen Dokumente sofort vernichtet worden (siehe hierzu meine Ausführungen über Arolsen).

In der Vernehmung im Nürnberger Prozeß äussert sich Höss folgendermaßen:

"DR. KAUFFMANN: Ist es richtig, daß Sie 1941 nach Berlin zu Himmler bestellt wurden? Geben Sie in kurzen Zügen den Inhalt dieser Besprechung an.

HÖSS: Jawohl. Im Sommer 1941 wurde ich zum persönlichen Befehlsempfang zum Reichsführer-SS, Himmler, nach Berlin befohlen. Dieser sagte mir dem Sinne nach, ich kann das nicht mehr wörtlich wiederholen, der Führer hat die Endlösung der Judenfrage befohlen. Wir, die SS, haben diesen Befehl durchzuführen. Wenn jetzt zu diesem Zeitpunkt dies nicht durchgeführt wird, so wird später das jüdische Volk das deutsche vernichten. Er habe Auschwitz deswegen gewählt, weil es bahntechnisch am günstigsten liegt und auch das ausgedehnte Gelände für Absperrmaßnahmen Raum bietet.

DR. KAUFFMANN: Wurde in dieser Besprechung Ihnen von Himmler gesagt, daß diese geplante Aktion als »Geheime Reichssache« behandelt werden müsse?

HÖSS: Jawohl, darauf machte er besonders aufmerksam. Er sagte mir, ich dürfte auch meinem direkten Vorgesetzten, dem Gruppenführer Glücks, nichts darüber sagen. Diese Besprechung wäre nur für uns beide, und ich hätte strengstes Stillschweigen jedermann gegenüber zu bewahren."

[Der Nürnberger Prozeß: Einhundertachter Tag. Montag, 15. April 1946. Der Nürnberger Prozess, S. 13799f (vgl. NP Bd. 11, S. 440f), Hervorhebung von mir

Auch die SS-Angehörigen im Lager mußten eine Verschwiegenheitserklärung abgeben:

"2. Über alle während der Judenevakuierung durchzuführenden Maßnahmen habe ich unbedingte Verschwiegenheit zu bewahren, auch gegenüber meinen Kameraden."

[Das Verfahren: Auschwitz in den Augen der SS. Der 1. Frankfurter Auschwitz-Prozeß, S. 40200
http://www.digitale-bibliothek.de/band101.htm ]

Es liegt auf der Hand, dass es schon aufgrund der Geheimhaltung kein zentrales schriftliches Dokument geben kann, dass den Mord an den europäischen Juden befiehlt. Ferner hat sich der systematische Massenmord aus verschiedenen Eskalationsstufen heraus entwickelt. Diese bedurften zwar immer eine Absprache und Einbindung der höchsten Instanzen, aber ein Befehl, der einen vollkommen neuen Sprung beinhaltete, war nicht notwendig (vgl. Longerich 2017).

Höss' falsche Benennung eines Vernichtungslagers

Höss nennt ein Vernichtungslager "Wolzek bei Lublin", dass es unter dieser Bezeichnung nicht gegeben hat. Auf der revisionistischen Webseite heißt es hierzu:

"Auf den ersten Blick ist man erstaunt darüber, daß die Polen Höss gestattet haben, derart schwerwiegende Enthüllungen über die britische Militärpolizei zu machen. Wenn man darüber nachdenkt, kommt man jedoch zu dem Schluß, daß die Polen sich vielleicht durch einen oder mehrere Beweggründe, wie nachstehend aufgeführt, haben leiten lassen:

[...]

durch die Notwendigkeit, für gewisse Absurditäten in dem Schriftstück (NO-1210), das die britischen Militärpolizisten Höss unterschreiben ließen, eine Erklärung anzubieten. Eine dieser Absurditäten besteht nämlich darin, das Vorhandensein eines »Vernichtungslagers« an einem Ort zu erfinden, der niemals auf einer polnischen Landkarte verzeichnet war, nämlich »Wolzek bei Lublin«. Eine Verwechslung mit Belzec kommt übrigens nicht in Frage, denn Höss spricht selbst von drei Lagern, nämlich »Belzek« (sic), »Tublinka« (sic) und »Wolzek bei Lublin«"

Wenn die Alliierten jemandem so foltern, um Aussagen unterzujublen, die nicht der Wahrheit entsprechen, würde man nicht zumindest darauf achten, Ortsnamen zu verwenden, die auf Landkarten vorhanden sind?

Die holocaustleugnende Webseite behauptet also, um andere Absurditäten zu vertuschen, wurde absichtlich ein nicht existentes Vernichtungslager erfunden.

Tatsächlich konnte sich Höss an ein Lager nicht korrekt erinnern, war aber in der Lage, in seiner Vernehmung die Lage näher zu bestimmen. Im Vernehmungsprotokoll am 1. 4. 1946 äusserte sich Höss folgendermaßen:

"Q. Did he give you any detailed directives as to how the extermination was to
take place?
A. Yes, he explained the following to me: the extermination camps in Poland
that existed at that time were not capable of performing the work assigned to
them.
Q. What were these extermination camps? Where were they, and what were
their names?
A. There were three camps: first, Treblinka, Belzak near Lemberg and the
third one was about 40 kilometers in the direction of Kulm. It was past Kulm
in an easterly direction."

Protokoll der Vernehmung Rudolf Höss vom 1. 4. 1946, abgedruckt in: The Holocaust: Selected Documents in Eighteen Volumes, John Mendelson, Ed., 1982, Vol. 12, S. 56-127.

Höss wurde über die Lager der Aktion Reinhardt (Belzek, Treblinka und Sobibor) in Kenntnis gesetzt. Wie aus der zitierten Passage hervorgeht, kann er sich an den Namen eines Lagers nicht erinnern.

Fährt man, so wie Höss es beschreibt, von Chelmno (Kulm) in nordöstlicher an der heutigen ukrainischen Grenze entlang, gelangt man zur Gedenkstätte Sobibor, also dem früheren Vernichtungslager. Die Strecke mit dem Auto beträgt etwas über 50 Kilometer, mit der Bahn sind es fast vierzig! Hier die Wegstrecke mit der Bahn, darunter mit einem Auto:

 

Mit "Wolzek" ist die eingedeutsche Bezeichnung des Ortes Wolczyny gemeint.

Die Stadt Lublin befindet sich westlich von Chelmno, die Ortschaft Sobibor wiederum nordöstlich des früheren Vernichtungslagers:

Mit Wolzek ist Wolczyny gemeint. Jedenfalls liegt ein solcher Ort auf der von Höss beschriebenen Wegstrecke im Raum Lublin 40 km hinter Chelm. "Wolzek" war durchaus eine gebräuchliche ursprüngliche Bezeichnung des Vernichtungslagers Sobibor. In einem Urteil des LG Osnabrücks gegen den SS-Angehörigen Bernhard Rakers wegen Mord, Mordversuch und Körperverletzungen heißt es:

"Im Generalgouvernement Polen gab es bereits einige KL mit Einrichtungen zur Massenvernichtung von Menschen (Belzec, Wolzek und Treblinka)."

Quelle: Justiz und NS-Verbrechen Bd. X Verfahren Nr. .323 - 359 (1952 - 1953), Lfd.Nr.340, LG Osnabrück, Urteil vom 10.02.1953,  JuNSV Bd. X S.355, Hervorhebung von mir.

Hier werden die Vernichtungslagerder sg. "Aktion Reinhardt" aufgezählt, heute bekannt als Belzec, Sobibor und Treblinka. Dass die Kleinstadt "Wolzek" eher erinnert wird, ist der Tatsache geschuldet, dass das Dorf Sobibor mit 500 Einwohnern sehr klein war und in der unmittelbaren NAchkriegszeit vom Vernichtungslager keinerlei Spuren gab, da es den Tätern hier sehr gut gelungen ist, alle Spuren zu vernichten im Rahmen der Aktion 1005.

Auch hier zeigt sich das Spiel mit der Unwissenheit, auf die Holocaustleugner bauen. Natürlich ist es auf den ersten Blick verlockend, widersprüchliche und ungenaue Angaben als Ergebnis einer Folter zu betrachten. Üblicherweise wird in keiner der leicht zugänglichen Literatur auf die Vernehmungsprotokolle hingewiesen oder diese ausführlich zitiert. Ein seriöser Historiker müsste sich auch bemühen, für solche Unzulänglichkeiten logische Erklärungen bieten zu können. Weil diese aber dem eigenen Weltbild widersprechen würden, schweigt man hierüber beziehungsweise geht nicht ins Detail.

 
Literatur

Höss (1946): Kommandant in Auschwitz. Autobiographische Aufzeichnungen des Rudolf Höss, hrsg. von Martin Broszat, München

Langbein, Hermann: Der Auschwitz-Prozeß. Eine Dokumentation, 2 Bde., Frankfurt a. Main 1995

Longerich, Peter (2017): Wannsee-Konferenz. Der Weg zur 'Endlösung', München

Pelt, Robert Jan van (2016): The Case for Auschwitz. Evidence from the Irving Trial, Bloomington and Indianapolis