Sitemap Impressum/Datenschutzhinweis
Zusammenfassung

Wie gezeigt wurde, sind die genannten Politiker mitnichten "Reichsbürger". Die Zitate sind allesamt aus dem Zusammenhang gerissen worden. Immer muss der inhaltliche und historische Kontext beachtet werden. Bei Äußerungen aus dem Zeitraum vor 1990 kommt der historische Kontext verstärkt hinzu.

Ein Friedensvertrag, besser Friedensverträge, ist/sind völkerrechtlich nicht notwendig. Die Bundesrepublik Deutschland hat im Zuge der 2+4-Verhandlungen bewusst darauf verzichtet, um Reparationen zu vermeiden.

Wolfgang Schäuble wirbt in seiner Rede für die Abgabe nationalstaatlicher Kompetenzen an eine supranationale Institution zur Vorbereitung des sg. "Fiskalpakts", um der Euro-Krise Herr zu werden.

Die Äußerungen Gregor Gysis und Egon Bahrs stehen unter dem Eindruck der NSA-Affäre, bei der Äußerung Gysis muss auch die Situation des Wahlkampfs beachtet werden sowie ein gewisser Anteil einer für politisch Linke meist typischen Anti-Amerikanismus.

Bezüglich der NSA-Spionageaffäre gilt, dass einige Abkommen aus der Zeit auf dem Weg zur Souveränität Deutschlands weiterhin gelten. Hieraus darf man aber nicht ableiten, dass Deutschland besetzt sei. Denn keine fremde Macht übt die Hoheitsgewalt über Deutschland aus.

Außerdem ist kein Land dieser Welt aufgrund der Einbindung in verschiedenste bi- iund multilaterale Abkommen souverän.

Die Rede des Finanzministers a. D. Theo Waigel muss sowohl vor dem Hintergrund des Schlesiertreffens gelesen werden als auch im historischen Kontext Juli 1989. Vor der Vereinigung galt eine andere Rechtsprechung bezüglich der territorialen Ausdehnung der Bundesrepublik Deutschland.

Carlo Schmid letztlich muss unbedingt in den historischen Kontext gepackt werden. Es ging um die Gründung eines Staates, der widerum von vornherein als Provisorium gedacht war.

Wer die obigen Videos, insbesondere auch das Ausgangsvideo, aufmerksam betrachtet hat, weiß, dass ich eine "Reichsbürgerin" vernachlässigt habe. Nach Carlo Schmid folgt im Ausgangsvideo noch folgende Sequenz:

 

Es handelt sich hierbei um eine Moderatorin der Magazinsendung "Frontal21" In der Sendung ging es - na, um was wohl? - um die NSA-Affäre.

Über die Thesen Joseph Foschepoths - abschliessende Betrachtungen

 

2012, also vor der NSA-Affäre, erschien das Buch des Historikers Joseph Foschepoth (Joseph Foschepoth: Überwachtes Deutschland. Post- und Telefonüberwachung in der alten Bundesrepublik, 2012, Göttingen). Dargestellt wird die Geschichte und der Umfang der Überwachungsmassnahmen, die ihren Ursprung in der Besatzung nach dem 2. Weltkrieg haben.

Der historische Rahmen ist das sg. "Konzept der doppelten Eindämmung": Dies bedeutet die Eindämmung einer von Deutschland ausgehenden Gefahr für den Frieden und die gleichzeitige Eindämmung einer Gefahr ausgehend vom Ostblock.

Auf Seite 19 schreibt er:

"Als die Armeen der Anti-Hitler-Koalition im Januar 1945 die Grenzen des Deutschen Reiches überschritten, kamen sie nicht nach Deutschland, um dieses Land zu befreien, sondern es zu erobern und zu besetzen".

Die Vorstellung, dass es allein um Besatzung geht und um die Sicherung der amerikanischen Interessen, durchzieht das Buch als roten Faden. Dieser Ausgangsthese wird alles untergeordnet. Hierbei werden aber wichtige historische Prozesse und Rahmenbedingungen vernachlässigt, was den Wert des Buches deutlich schmälert, weil eben die von ihm aufgezeigten Fakten zu wenig in den historischen Kontext gerückt werden.

Bereits die Ausgangsthese kann so nicht unkommntiert stehen bleiben, denn das Deutschlandbild und der Umgang mit Deutschland wandelte sich bereits im Vorfeld des 8. Mai 1945.

Zunächst sollte der Umgang mit Deutschland alles andere als "besetzt" sein. Roosevelt und Churchill veröffentlichten am 14. August 1941 die sg. "Nordatlantik-Charta", eine klare Absage an politischen und wirtschaftlichen Imperialismus (vgl. hierzu Moltmann 1957, S. 241ff).

Auch Deutschland wurde explizit als Bestandteil dieser angedachten neuen Ordnung angesehen (ebd., S. 243).

Dieses Bild änderte sich aber im Lauf der Zeit. Als besonderen Bruch kann man den Eintritt der USA in den 2. Weltkrieg ausmachen, bedingt durch den Überfall auf Pearl Harbour.

Im weiteren Kriegsverlauf verübte Deutschland nicht nur immer mehr, sondern auch immer qualitativ größere Kriegsverbrechen bzw. Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Dieser Terminus wurde erst später eingeführt, an dieser Stelle erspare ich mir eine jurustische Grundsatzdiskussion über "nulla poena sine lege" (keine Strafe ohne Gesetz) bzw. genauer "Nullum crimen, nulla poena sine praevia lege poenali" (keine Strafe ohne voran gegangenes Gesetz).

Mit eben diesen Verbrechen wurden die Alliierten immer mehr konfrontiert, auch erfuhr man immer mehr von Augenzeugenberichten.

Demzufolge muss gefragt werden, ob die alliierten Sicherheitsbedenken vor einem widererstarkendem Deutschland in der Nachkriegszeit gerechtfertigt waren, insbesondere auch angesichts der Nachkriegsentwicklung in Deutschland.

Wie groß die Angst vor Deutschland war, zeigt bereits die Unterzeichnung eines gegenseitigen militärischen Beistandspakts in Dünkirchen am 4. März 1947 zwischen Großbrittanien und Frankreich. Frankreich gilt ja als sehr selbstbewusste Nation, die sg. "grande Nation": Wenn diese sich zusammenschliesst mit einem anderen Staat, dann soll dieses etwas heissen! Auch im weiteren Verlauf der Nachkriegszeit spielten französische Ängste immer wieder eine große Rolle. Dieser Beistandspakt war die Keimzelle der späteren WEU.

Diese berechtigten Ängste spielen bei Foschepoth keine Rolle. So kritisiert Foschepoth immer wieder die alliierten Vorbehaltsrechte (Foschepoth 2014, S. 36ff). Zwar bekam Deutschland die volle Souveränit im Rahmen der Pariser Verträge, aber diese Bestand seiner Lesart nach nur auf dem Papier. "Die Vorbehaltsrechte waren die Essentials der amerikanischen Strategie der doppelten Eindämmung und daher im Kern nicht verhandelbar." (ebd., S. 38).

Aber was könnte für diese Bedenken sprechen? Dies thematisiert Foschepoth an keiner Stelle.

Zu nennen wäre beispielsweise:

Man muss sich zusätzlich vor Augen führen, dass die Allierten nach Kriegsende immer mehr von Verbrechen erfahren haben, die in den Jahren 1939-1945 begangen wurden. Darüber hinaus wurde der Nationalsozialismus noch von einem nicht unbedeutendem Teil der Bevölkerung verherrlicht, im Oktober 1948 hielten noch 57% den NS für eine gute Idee, Anfang der 50er Jahre hielten ca. 9-10% Hitler für einen "großen Deutschen", 37% der Deutschen waren im Dezember 1952 der Meinung, dass es besser sei, keine Juden in Deutschland zu haben (vgl. Piel 1996, S. 155ff).

Eines dieser Sonderrechte der Alliierten ist auch der Status West-Berlins gewesen. "Westberlin stand weiter unter Besatzungsrecht." (Foschepoth 2014, S. 38)

Gerade auch hier hätte Foschepoth weitsichtiger argumentieren müssen. Er blendet das nicht sehr viel spätere Cruschtschow-Ultimatum und die Berlin-Krise vollkommen aus. Bereits am 27. Oktober 1958 beanspruchte Ulbricht die Gesamthoheit über Berlin, am 10. November 1958 drohte Chruschtschow den Allierten in einer Note ein einseitiges Vorgehen an.

Insgesamt gab es meines Erachtens gute Gründe für weitere Vorbehaltsrechte.

Auch muss die innerdeutsche Sicht beachtet werden. Foschepoth legt nicht dar, dass die Vorbehaltsrechte und Überwachungsmaßnahmen gerade auch auf Initiative Adenauers zurückzuführen sind. Die Beweggründe sind nicht bestimmbar. Möglich ist aber die Angst vor dem Kommunismus. Die Sowjetunion trat immer selbstbewusster auf, die Angst vor einer bolschewistischen Bedrohung war sicherlich noch weit verbreitet gewesen, gerade wenn man beachtet, dass man den Nationalsozialismus noch positiv bewertete und damit auch seine antibolschewistische Ideologiekomponente.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass Foschepoth viel zu wenig die historischen Rahmenbedingungen seiner Thesen und Schlussfolgerungen beachtet, die den Aussagewert dadurch arg schmälern. Denn seine Schlussfolgerungen können nur dann Gültigkeit beanspruchen unter Ausblendung eben dieser!

 

Literatur

Benz, Wolfgang: Potsdam 1945. Besatzungsherrschaft und Neuaufbau im Vier-Zonen-Deutschland, 3. Auflage München 1994

Foschepoth, Joseph: Überwachtes Deutschland. Post- und Telefonüberwachung in der alten Bundesrepublik, 4. durchges. Auflage Göttingen 2014

Heyde, Veronika: Amerika und die Neuordnung Europas vor dem Marschallplan (1940-1944), in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 58. Jhg., 2010, Heft 3Korte

Moltmann, Günter: Die frühe amerikanische Deutschlandplanung im Zweiten Weltkrieg, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 5. Jhg. (1957), Heft 3

Piel, Edgar: Spuren der NS-Ideologie im Nachkriegsdeutschland, in: Oberreuter, Heinrich/Weber, Jürgen (Hrsg.): Freundliche Feinde? Die Alliierten und die Demokratiegründung in Deutschland, München/Landsberg am Lech 1996

Weidenfeld, Werner/Korte, Karl-Rudolf (Hrsg.): Handbuch zur deutschen Einheit, Bonn 1994

Winkler, Heinrich: Der lange Weg nach Westen Bd. 2, Deutsche Geschichte vom "Dritten Reich" bis zur Wiedervereinigung, München 2000